Den Lebensabend im tropischen Thailand verbringen: Funktioniert dieses Businessmodell wirklich?
Autor:Karin Wenger
Ein Demenz-Altersheim, geführt wie ein Fünf-Sterne-Hotel: Ewiger Sommer, rund um die Uhr luxuriöse Altersbetreuung – und das für wenig Geld. Schweizer Investoren glaubten an den Erfolg dieses Konzepts und eröffneten deshalb vor vier Jahren die Altersresidenz Vivobene ausserhalb der nordthailändischen Stadt Chiang Mai.
Der Trend versprach denn auch Gutes: Schweizer Pensionäre ziehen zunehmend nach Thailand. So lebten vor drei Jahren über 2500 AHV-Bezüger im südostasiatischen Land.
Das Heim bietet über 70 Personen Platz – und sieht einladend aus: Wie eine Kathedrale wirkt die Eingangshalle von Vivobene. Andreas Fischer führt die hauseigene Bäckerei. «Wir bieten Zuger Kirschtorte, Aargauer Rüeblitorte, Bauernbrot, dunkles Brot, Vollkornbrot, Silserli und Brioche an».
Leckereien aus der Schweiz vermitteln heimisches Gefühl
Auch im Rössli, dem Restaurant der Residenz, rühmen Mario Polla und seine Frau Ursula die Schweizer Leckerbissen. «Heute habe ich Bratwurst und Rösti bestellt». Der 74-jährige Mario ist vergangenen Herbst aus der Schweiz ins Vivobene gezogen, seine Frau will ihm bald folgen.
Mario leidet an Parkinson. Die Pflege zu Hause wurde für seine Frau zu schwierig. Für das Ehepaar wurde jedoch bald klar, dass sie ihren Lebensabend nicht in einem Altersheim in der Schweiz verbringen wollten: «In der Schweiz ist ein Altersheim stärker durchorganisiert – und zu teuer».
In der Schweiz ist ein Altersheim stärker durchorganisiert – und zu teuer.Rentner Mario Polla
Tatsächlich kostet ein Zimmer im Vivobene bloss bis zu 3500 Franken pro Monat – inklusive Vollpension, Massagen und Ausflügen. In der Schweiz kostet ein Pflegeplatz rund 8700 Franken. Nicht nur die niedrigeren Kosten seien ausschlaggebend gewesen, sagt die ehemalige Krankenschwester Ursula Polla: «Sie bekommen einfach mehr Qualität in der Freiheit und Lebensqualität für einen tieferen Preis».
Manager Andreas Fischer führt derweil durch die grosse, grüne Anlage. «Wir verfügen über einen rollstuhlgängigen Swimmingpool. Der ist 80 Zentimeter tief. Wunderbar für Wassertherapien.» Auch einen Pingpongtisch gebe es, nur befinde er sich gerade in Reparatur. «Heute Nachmittag ist er wieder da».
Angst vor dem «Eltern-Abschieber»-Image
In Pavillons sind die 72 Zimmer untergebracht und hinter einem künstlichen Teich liegen das Spa und die Gästevillas. Trotz des Luxus kam im ersten Jahr aber nur ein Demenz-Kranker.
Hauptinvestor Roger Holzer macht mangelndes Marketing und die Schweizer Mentalität dafür verantwortlich: «Die Schweizer überlegen sich einen solchen Schritt sehr genau. Sie wollen alles richtig planen – über Jahre hinweg. Andere Nationalitäten sind viel spontaner. Die kommen hierher, machen einen Testaufenthalt und eine Woche später checken sie bei uns ein. Zudem sind Kunden aus der Schweiz sehr anspruchsvoll. Es braucht bei ihnen sehr viel Überzeugungsarbeit – und dann ist noch die Sache mit den Angehörigen».
Diese schrecke die geographische Entfernung oft ab. Viele Pensionäre fürchten sich vor der anderen Sprache und vermeintlich ungenügender medizinischer Versorgung. Mit einer Schweizer Pflegechefin und guten Spitälern in der Nähe sei diese Angst jedoch unbegründet, sagt Holzer. «Der Schweizer hat Angst, als Abschieber der eigenen Eltern abgestempelt zu werden, wenn man jemanden nach Thailand bringt».
Die Schweizer überlegen sich einen solchen Schritt sehr genau. Sie wollen alles richtig planen – über Jahre hinweg.Autor:Roger HolzerInvestor
Holzer und sein Team mussten das Konzept wegen mangelnder Nachfrage aus der Schweiz umstellen: die Preise wurden gesenkt, und heute will Vivobene nicht mehr ausschliesslich ein Demenzheim sein, sondern hat die Türen auch für gesunde Pensionäre, für Burn-out Patienten und sogar für Touristen geöffnet. Mittlerweile sind 27 Langzeitgäste eingezogen. Die meisten Gäste kommen zwar aus der Schweiz, aber auch aus Australien, Deutschland oder Bangladesch. Schwarze Zahlen schreibt das Luxusheim erst seit Kurzem.
Dem kinderlosen Ehepaar Mario und Ursula Polla gefällt das internationale Umfeld. Der pensionierte Ingenieur und seine Frau haben viele Jahre im Ausland gearbeitet. Für jemanden, der stark in der Schweiz verwurzelt sei, wäre das Vivobene wahrscheinlich nicht der richtige Ort, glaubt Mario.
Der pensionierte Elektroingenieur hilft beim Erweitern der Anlage und unterrichtet Deutsch. Seine Frau will noch Thailändisch lernen. Als er hierher kam, hatte er einen Wunsch: «In Würde alt werden.» Mit einer wöchentlichen Jasspartie unter Palmen, Heimat und Ferne vereint, hat sich Mario diesen Wunsch erfüllt.